Mein Name ist Margrit Simeon und ich erzähle Ihnen meine eigene Herz-Geschichte.
Am 30. Juni 2016 mit 53 Jahren wurde ich mitten aus dem alltäglichen Leben herausgerissen. Ich erwachte in der Aufwachstation einer Herzklinik. Der Chirurg, welcher mir drei Stents eingesetzt hatte, stand neben meinem Bett und versuchte mich mit den Worten «Sie hatten Glück im Unglück» zu trösten. Ich jedoch war fassungslos und ich schämte mich, dass ICH einen Herzinfarkt erlitten hatte. Ich empfand in diesem Augenblick kein Gefühl von Glück und auch nicht von Dankbarkeit.
In der Nacht vor meinem Herzinfarkt merkte ich, dass mit mir etwas nicht stimmte. Meine Haut war so empfindlich, die Glieder schmerzten und es fühlte sich so an, als ob ich an einer Grippe erkranken würde. In der Nacht verstärkten sich die Symptome und der Bauch und die Brust spannten fest. Ich rief in der Nacht das Beratungstelefon meiner Krankenkasse an. Die Beraterin meinte, dass es sich um eine Magenverstimmung handeln könnte und ich den Kopfteil des Bettes höherstellen sollte. Als dies nicht half, rief ich ein zweites Mal an und sie meinte, ich solle den Kopfteil noch höherstellen und am Morgen gleich zum Arzt gehen.
Ich wollte an diesem Tag, am Donnerstag, den 30. Juni 2016, unbedingt zur Arbeit, weil sich eine Bewerberin vorstellte, die ich mir sehr in meinem Team wünschte. Ich arbeitete als Fachverantwortliche in der Sozialberatung in einer Universitätsklinik in Zürich.
Ich rief auf dem Weg zur Arbeit meinen Hausarzt an, um an diesem Tag noch einen Termin zu erhalten. Am Donnerstag war jedoch Ruhetag. Die Vertretung in Notfällen hatte keinen Termin frei und bat mich, am Freitag erneut den Hausarzt zu kontaktieren. Ich spürte am ganzen Körper, dass es mir nicht gut ging und ich versuchte mein Bestes, das Unwohlsein zu verdrängen. Ich sass in meinem Büro, erschöpft und doch zu stark, so dass es meinen Berufskolleginnen nicht auffiel, wie schlecht es mir ging.
Plötzlich kam der Gedanke wie angeflogen, dem Personalarzt, der für die Mitarbeitenden zuständig war, anzurufen. Ich erreichte den Arzt, jedoch konnte er mit der Beschreibung meines Zustandes nichts anfangen. «Margrit, das tönt sehr diffus». Diese Feststellung war schwierig für mich und ich war ja selbst sehr irritiert über meinen Zustand. Trotz der diffusen Schilderung bekam ich sofort einen Termin für eine Untersuchung. Das EKG war unauffällig, weil ich viel Sport in der Freizeit trieb und eine «fitte» Frau war. Mir wurde noch Blut abgenommen und der Arzt meinte, dass er mich informieren werde, wenn er etwas Auffälliges entdecken sollte. Ich zweifelte an mir selbst, was wohl mit mir los war. Anstatt zur Ruhe zu kommen, ging ich, meinem ausdauernden und starken Charakter entsprechend, zum Bewerbungsgespräch und zum anschliessenden gemeinsamen Mittagessen. Ich nahm mich einfach zusammen und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
Als ich mich zur wöchentlichen Patienten-Visite aufmachte, kam der hausinterne Arzt auf mich zugerannt. Er rief: «Margrit, es steht ganz schlimm um dich! Du musst sofort auf die Intensivstation! Die Blutwerte deuten auf einen Herzinfarkt hin.» Ich war fassungslos über das, was ich da hörte. Ich konnte das Gehörte in diesem Moment nicht einordnen. Dann ging alles sehr schnell. Zuerst kam ich umgehend auf die Intensivstation der eigenen Klinik, Minuten später wurde ich in die Herzklinik nur 100 Meter neben unserem Spital verlegt. Sofort wurde die Diagnose gestellt und ich wurde in den Operationssaal geschoben. Ich hatte eine seltene Diagnose eines Herzinfarkts (spontane Dissektion) und deshalb waren die Symptome auch so diffus.
Einerseits waren es genetische Faktoren, andererseits war mir klar, dass mein andauernd hoher Stresspegel ein wichtiger Auslöser war. Ich hatte schon während längerer Zeit verschiedene schwierige Situationen im beruflichen und im privaten Bereich zu meistern und hoffte immer wieder, dass die Belastungen bald abnehmen würden, was jedoch nicht der Fall war.
Die Zeit schien für mich stillzustehen. Ich brauchte Ruhe und Raum, um mich zu sortieren, um wieder in mein normales Alltagsleben zurückzufinden. Der Herzspezialist empfahl mir dringend, eine Rehabilitation zu machen, um mir die Zeit zu geben, meinen Herzinfarkt zu verarbeiten. Ich empfand jedoch grossen innerlichen Widerstand dazu, wusste aber genau, dass ich sonst in ein Loch fallen würde und es jetzt wichtig war, in die Rehabilitation einzutreten. Rückblickend war es die beste Entscheidung und die drei Wochen in der Reha waren eine wichtige Erfahrung für mich. Ich spreche von einem Wendepunkt in meinem Leben. Ich habe dort viel nachgedacht und mir vorgenommen, einiges in meinem Leben zu verändern. Was ich besonders geschätzt habe, war der Austausch mit anderen RehapatientInnen (Herz- und Burnoutbetroffene). Es hätte mich auch ein Burnout treffen können, das war mir gerade in dieser Zeit in der Klinik sehr bewusst geworden. Die Unterstützung durch die Fachleute von Bewegung, Ernährung, Kreativ-Atelier und speziell die psychologische Beratung waren in dieser schwierigen Phase für mich sehr hilfreich.
Nach der Rehabilitation begann eine weitere schwierige Phase für mich. Ich war es gewohnt, immer gut und pflegeleicht zu funktionieren und wollte so schnell wie möglich wieder in meinen «normalen» Alltag zurück. Den Wiedereinstieg in die Arbeit machte ich dann stufenweise und nach einigen Wochen war ich bereits wieder bei meinem vorherigen Arbeitspensum angelangt. Ich hatte mir während der Rehabilitation fest vorgenommen einiges zu ändern, jedoch holte mich der Alltag schnell ein, die «Schonzeit» war ganz bald vorbei und meine alten Muster lösten sich nicht so schnell auf, wie ich es mir wünschte. Ich versuchte freundlicher mit mir umzugehen und ich hatte es erreicht mein Pensum zu reduzieren, was vor dem Herzinfarkt wegen der Personalsituation nicht möglich gewesen war. Bei meinen ärztlichen Nachkontrollen war rein physisch alles in Ordnung mit mir und ich hatte glücklicherweise auch keine grossen bleibende Einschränkungen erlitten. Meinem emotionalen Herz ging es jedoch nicht gut. Ich fühlte mich selbst unglaublich fremd, war sehr verletzlich und dünnhäutig. Zum Glück war ich in einer Ausbildung zur psychosozialen Beraterin, die ich bereits vor meinem Herzinfarkt gestartet hatte und die mir viel half, meine Lebensthemen anzuschauen, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und vor allem Eigenverantwortung für mein Leben und meinen Lebenswandel zu übernehmen. Gerade in dieser Auseinandersetzung spürte ich in meinem Herzen einen starken Drang, mich beruflich zu verändern.
Ich kündigte meine Arbeitsstelle, um mir mehr Zeit und Raum zu schaffen und um mir klar zu werden, wie ich mein «zweites» neu geschenktes Leben gestalten möchte. Ich plante eine längere Reise nach Irland. In der Vorbereitung zur Reise begegnete ich dem „Pferdezauber“, der mich mitten in meinem Herzen berührte. Das pferdegestützte Coaching als Vorbereitung für eine Woche Reitferien in Irland war ein so wichtiger Schlüssel auf der Suche zu meiner Identität und zu meinem «neuen» Leben geworden. Die Begegnung mit dem Pferd Favorito stärkte mein Selbstwertgefühl nachhaltig und ich entdeckte ein starkes Urvertrauen in meinem Körper und meiner Seele. Dafür danke ich Favorito und der Besitzerin von Herzen.
Noch in Irland entschied ich mich für den Sprung in die Selbständigkeit. Als Coach und Beraterin will ich Menschen ermutigen und inspirieren ihren eigenen Weg zu finden, besonders in schwierigeren und stressigen Lebenssituationen.
Viele «Werkzeuge» wie das Praktizieren von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl waren und sind sehr hilfreich in meinen Heilungsprozess. Die unterstützenden Gespräche mit Familie, Freunden und Fachleuten, Körperarbeit und die Begegnung mit Pferden waren für mich sehr kostbar zu ganz verschiedenen Zeiten. Speziell der Austausch mit Selbstbetroffenen von Herzgeschichten hat mich gestärkt und mich auf besondere Weise mit ihnen verbunden. Meine Ausbildung zur psychosozialen Beraterin hat mich unterstützt, meine schwierige Situation professionell zu reflektieren.
Heute – nach fast 6 Jahren- empfinde ich in meinem Herzen viel Dankbarkeit. Ich hatte tatsächlich «Glück im Unglück»! Trotz der diffusen Symptome bekam ich rechtzeitig ärztliche Versorgung. Doch mein wirkliches «Glück» sehe ich darin, dass es mir Schritt für Schritt gelungen ist, meinem Leben eine Wendung zu geben, die Gestalterin meines Lebens zu sein und jetzt meine Erfahrung anderen Menschen zur Verfügung zu stellen zu können. In naher Zukunft werde ich dies auch in Ergänzung mit «Pferdestärke» mit meinem eigenen Pferd, Lenny, tun, mit dem ich zurzeit in Ausbildung zum achtsamen und pferdegestützten Coaching bin.
Ich gehe lösungsorientiert vor.
Ich wende erprobte Methoden an, die sich im alltäglichen Leben integrieren lassen.